Montag, 6. September 2010

Nach dem Lauf ist vor der Tour

Wow, das war also Marathon Nummer zwei - der Heimmarathon. 42,195 km beim 9. Mitteldeutschen Marathon von Spergau -fast vor der Haustür- bis nach Halle. Und es war gut. Verdammt weit zwar, anstrengend, kräftezehrend, stellenweise grausam und quälend - aber trotzdem gut. Unterwegs denke ich manchmal: 'Nie wieder!' Aber mit etwas Abstand überwiegt der Stolz, es wächst die Freude über eine neue Bestzeit und langsam keimt neuer Ehrgeiz auf, beim nächsten Mal noch besser zu sein. Aber jetzt heißt es erstmal für drei Tage Beine hochlegen, denn nach dem Lauf ist vor der Tour. Dann geht's mit dem Mountain Bike über die Alpen.

Das Rennen begann für mich optimal. Es war zwar neblich und vor allen Dingen ziemlich kühl, aber das ist genau mein Wetter. Die ersten Kilometer gingen auch über bekanntes Trainingsgelände. Spergau, Fährendorf, Wengelsdorf - dort bin ich überall schon zu Fuß unterwegs gewesen. Mit dem Heimvorteil unter den Füßen ging's ganz flott vorwärts: 5:10 - 5:20 min/km, so hatte ich's geplant.

Obwohl es streckenweise durch menschenleere Straßenabschnitte ging, war die Stimmung vor allem in den Dörfern und Städten richtig gut. Da spielten Blaskapellen, Sprecher haben Stimmung gemacht und ganze Schulklassen standen am Straßenrand und haben uns angefeuert. Niedlich ist es auch, wenn die Jüngsten begeistert ihre Hand raushalten und sich freuen, wenn sie von den Läufern abgeklatscht werden. Das macht richtig Spaß. Auch die vielen Helfer an den Verpflegungsständen haben sich richtig reingehängt. An einem hat mir eine zugerufen: "Los, Matthias!", und ich hab bestimmt zwei Kilometer gegrübelt: 'Woher kennt sie mich nur?' Dann ist es mir eingefallen: Auf der Startnummer waren ja die Namen aufgedruckt...

Und so ging's locker weiter. Einen Becherchen Wasser an jedem Stand, ein Magnesium hier, ein Powergel dort. Halbmarathon-Zeit 1:50 h, alles im Plan.

Schwerer wurde es ab Kilometer 30. Da fängt es langsam an, hier und da weh zu tun. Da fängt man an zu lauschen, ob nicht schon irgendwo ein Krampf lauert und die ersten Blasen an den Zehen melden auch, dass sie eigentlich noch mehr Platz im Schuh bräuchten. Aber in Holleben bei km 32 stand Andreas an der Strecke und hat mich noch mal nach vorn gepeitscht. Ich war immernoch bei 5:30-5:40 min/km und damit auf 3:45-Kurs.

Der Einbruch kam dann doch. Bei km 38 waren die Akkus leer. Ich wollte eigentlich durchlaufen, aber es ging nicht. Die vier Kilometer lange Magistrale, gefühlte 500 m breit und Straße bis zum Horizont, gleißende Sonne, Schmerzen von den Schultern abwärts, die Zielzeit schwindend - das ist alles ziemlich niederschmetternd. Bis...

Ja, bis man kurz vor sich seine Kollegen und Leidensgefährten erkennt. 1000 m vor dem Ziel hatte ich (unverhofft, denn der Halbmarathonstart hat sich um einiges verzögert) Karsten und Sebastian im Visier. Plötzlich sind alle Leiden vergessen. Der Zielspurt gegen Sebastian war ein Kampf auf Leben und Tod, keine Zehntelsekunde haben wir einander gegönnt. Am Ende war es ein Fotofinish. Allerdings gibt es kein Foto, auf dem der Sieger ermittelt werden kann. Sebastian, Glückwunsch zu diesem Unentschieden ;-P

Das schönste an einem Marathon ist, wenn man im Ziel ist. Was da im Kopf passiert ist überwältigend und schwer in Worte zu fassen. Stolz, Erlösung, Freude - und noch viel, viel mehr. Dieses Mal konnte ich sogar meiner Kerstin in die Arme sinken. Danke dafür und dass du diesen ganzen Flitz so geduldig erträgst!

3:53:09 h bin ich übrigens gelaufen, fünf Minuten schneller als in Prag. Eigentlich wollte ich ja 3:45 h schaffen. Und deshalb wird das wohl nicht mein letzter Marathon gewesen sein...


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